Über den Begriff "Bauchtanz"
Das deutsche Wort ist eine Übersetzung aus dem Französischen "danse du ventre", das der Schriftsteller Zola für seinen Roman
Nana (19. Jh.) entwickelt hatte. Es entspricht dem englischen Begriff "bellydance".
Im Orient heißt der Tanz raqs sharqi, was "orientalischer Tanz" bedeutet.
Die Ursprünge des Bauchtanzes
Der Bauchtanz wird allgemein als einer der älteste Tänze der Welt anerkannt. Schon auf prähistorischen Fresken sind Menschen zu erkennen, deren Positionen an die Bewegungen des Bauchtanzes erinnern. Man vermutet, dass man schon in prähistorischen Zeiten die Frau als magisches Wesen gesehen hat. Sie ist die "Magna Mater", die Große Mutter, die das Leben schenkt. Der Kult dieser Göttin, der in der Religionen der Welt viele Gesichter zeigt, wird stets in Verbindung mit Fruchtbarkeits- sowie Geburtsriten gebracht.
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Tänzerinnen und Musikerinnen der 8. Dynastie |
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Bauchtanz in alten Ägypten
Aber schon im alten Ägypten, um ca. 4000 v. Chr., entwickelte sich dieser Kulttanz zu einem Schautanz. Man vermutet, dass die Ägypterinnen, die damals als Tänzerinnen auftraten, auch Tempeltänzerinnen waren. Später kamen ausländische Tänzerinnen (meistens Afrikanerinnen) noch dazu. Die entscheidende Entwicklung der Tanz geschah aber in der Zeit von Thuthmosis I. bis Echnaton. Dietlinde Karkutli erklärt im
Bauchtanz-Buch, dass "sich hier zum ersten Mal das ästhetischrauschhafte empfundene Körpergefühl von der religiösen Verzückung trennt. [Gleichzeitig] festigte sich die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau [...] Eine ähnliche abgesicherte gesellschaftliche Stellung wie die ägyptische Frau hatte wohl nur noch die etruskische, nicht aber die in der patriarchalen Gesellschaftsordnung zur Dienstmagd erniedrigte Griechin."
Bauchtanz in der antiken Welt
Zu dieser Zeit exportierte sich schon der Bauchtanz nach Griechenland, wo er aber nie so verbreitet war wie im römischen Reich (p34). Der Kontakt zwischen dem ägyptischen Bauchtanz und Rom kam in dem damals phönizischen Gadir zustande (heute Cadiz in Spanien). Mehrere römische Schriftsteller, wie Juvenal, erzählten über die Tanzkunst der Frauen von Gadir:
"Siehe, Saufeia setzt hin den Kranz, sie fordert die Mägde
der Kuppler heraus und siegt im Tanz der wiegende Hüfte;
Aber sie selber vergöttert Medullinas fließenden Bauchtanz.
Damen umkämpfen den Sieg, ihr Können, es gleicht ihrem Adel..."
(6. Satire von Juvenal)
Als das Christentum sich in Europa verbreitete, verschwand auch jede Erscheinung von Bauchtanz. Er hätte auch wahrscheinlich das gleiche Schicksal in Ägypten (und in den anderen islamischen Ländern) erleben können, doch genau dort hat sich der Bauchtanz erhalten. Dietlinde Karkutli erklärt das folgenderweise: "Trotz - oder gerade wegen- [des Verbots, Menschen zu malen] bot sich der Bauchtanz - quasi als Ersatz für die verbotenen Skulpturen und Bilder, neben der abstrakten Arabesken als lebendige Möglichkeit an, Gefühle mit Hilfe von Musik durch den menschlichen Körper auszudrücken. Möglicherweise ist dies der Hauptgrund, weshalb er den so volkstümlich-bedeutenden Status erhalten konnte, den er heute noch als integrierter Bestandteil des täglichen Lebens besitzt".
Zwischen dem 7. und dem 18. Jahrhundert haben wir sehr wenige Zeugnisse vom Bauchtanz. Wir wissen aber, dass der Kaiser Friedrich II. immer zwei arabische Tänzerinnen ("due puelle sarracene") mit sich nahm.
Während diese Periode kam aber der Bauchtanz wieder nach Europa, zum einem weil Spanien zum größten Teil arabisch war und zum anderen weil vom 10. bis 14. Jahrhundert, Zigeunerinnen durch das alte Kontinent zogen (Siehe Artikel Geschichte der Zigeuner). Mit sich brachten sie die Tänze Indiens (ihrer Heimat), Persiens und die von der Türkei. Denn nicht nur in Ägypten und Afrika hatte sich ein Bauchtanz entwickelt: In anderen Regionen der Erde, wie Anatolien, wurde die "Mutter-Erde" ebenfalls mit einen solchen Tanz verehrt. Im Spätmittelalter erreichten also die Zigeunerinnen Deutschland und Frankreich, sowie Spanien. Es dauerte aber, bis die erste Berichte ihres Tanzes überliefert wurden. Einer der ersten ist von dem Franzosen Jean de Thévenot, der 1665 über Frauen schrieb, "[...] die sie "Tchingueniennes" nennen, die öffentliche Tänzerinnen sind, und beim Tanzen spielen sie Kastagnetten und andere Instrumente und machen für einige Münzen tausend unanständige Hüftbewegungen". Ihrer Tanz löste Begeisterung sowie Ekel aus.
Der Bauchtanz im 19.Jh.
Die Zigeunerinnen zogen nicht nur durch Europa sondern auch durch Afrika und besonders Ägypten, wo sie eine bedeutende Rolle in der Entstehung des orientalischen Tanzes, wie wir ihn heute kennen, gespielt haben. Man weiß nicht genau, wann sie in Ägypten ankamen, vermutlich aber in mehrere Wellen. Die erste könnte früh sein (Mittelalter), eine andere kam mit Sicherheit mit den Osmanen, als diese Ägypten eroberten im 16. Jh. Es sind diese Ghawazee (Zigeunerinnen), die die europäischen Reisende beobachten konnten, als sie in den Orient reisten. Denn die ägyptischen Frauen tanzten nur unter sich: Der Islam verbot ihnen das "unanständige" Vortanzen. Die Ghawazee hingegen verdienten ihr Lebensunterhalt, indem sie auf der Strasse tanzten und sich prostituierten.
Die Berichte aus dieser Zeit sind zwar geprägt von christlicher Moral, aber gleichzeitig zeigen viele Männer Begeisterung für den Bauchtanz.
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Porträt einer ägyptischen Tänzerin auf der Weltausstellung |
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1893 fand die Weltausstellung in Chicago statt und dort traten zum ersten Mal Ghawazee auf einer Bühne, vor dem westlichen Publikum auf. "Little Egypt", so hieß die berühmteste Tänzerin der Gruppe, war ein riesiger Schock für die korsettierten amerikanischen Frauen, die sich zum Teil empört über den Tanz zeigten. Doch die Show von "Little Egypt" gewann immer mehr Aufmerksamkeit und Erfolg, so dass Künstler sich später von ihr inspirieren ließen (Schleiertanz in "Salome" 1910). Die Nachahmerinnen von "Litte Egypt" waren jedoch zum Teil so miserabel, dass der Bauchtanz in diesen Jahren keinen richtigen Aufschwung erlebte.
In Europa ging es dem Tanz ähnlich: Die Schauspielerin Marie Wittich lehnte die Rolle der Salome ab (von Wagner vorgeschlagen!), weil sie den Tanz als "unanständig" empfand.
Der Aufschwung des Bauchtanzes
In Ägypten (Kairo), sowie in Libanon (Beirut) eröffneten die ersten Nachtklubs, wo man orientalische Tänzerinnen sehen konnte, in den 1920ern. Die erste Touristen gingen in diese zwei Länder hauptsächlich, um die Tänzerinnen zu bewundern. Damals handelte es sich nicht mehr nur um Ghawazee, sondern auch um arabische Frauen. Sie tanzten volkstümliche Stücke und trugen dabei die Galabeya, die traditionelle Kleider der ägyptischen Frauen.
In diesen zwei Ländern entwickelte sich in den 40ern auch eine große Filmindustrie, genauso wie in den USA. Diese Filme waren meistens Musicals, die Tanzszenen beinhalteten. In Ägypten wurden Tänzerinnen wie Tahia Carioca oder Samia Gamal zu großen Stars. In Amerika wuchs zu dieser Zeit ein großes Interesse für den Orient, und die Filme zu diesem Thema wurden immer mehr.
In den 60ern aber ersetzten ägyptische Tänzerinnen wie Samia Gamal die amerikanischen Nachahmerinnen in den Hollywood-Filmen. In den 60ern aber ersetzten ägyptische Tänzerinnen wie Samia Gamal die amerikanischen Nachahmerinnen in den Hollywood-Filmen und entdeckten dort das Bild des Orients und entdeckten dort das Bild des Orients . In den Hollywood-Filmen trugen die Schauspielerinnen und Tänzerinnen durchsichtigen Schleier, lange Röcke und bestickte BHs, sowie Nabelsteine.
Die ägyptische Filmindustrie, inspiriert von diesen neuen Bildern, ließ auch die ägyptische Tänzerinnen diese Kostüme tragen.
So ist unser typisches "Bauchtanzkostüm" eigentlich eine amerikanische Erfindung...
Die goldene Zeit und der Rückgang des orientalischen Tanzes in Ägypten und Libanon
Als der Bürgerkrieg in Libanon ausbrach, wurde Ägypten das einzige Zentrum des orientalischen Tanzes. Tänzerinnen wie Fifi Abdo, Suheir Zaki oder Nagwa Fuad tanzten in 5-Sterne-Klubs, mit 40 Musikern, auf extra für sie komponierte Musikstücke.
Parallel dazu wurden die Reisen in den Orient günstiger und die Leute, die mit den Hollywood-Filmen groß geworden waren, konnten endlich den Tanz live erleben. Denn als Folge dieses Orienttrend in den USA hatte sich der Tanz richtig entwickelt, und die ersten Studios hatten eröffnet, dort und in Europa.
In Ägypten fing der Rückgang des goldenen Zeitalters des orientalischen Tanzes in den 90ern an. Ein konservativer islamischer Einfluß sowie das fehlende Interesse der jungen reichen Leute (deren Väter diese Nachtklubs finanziell unterstützt hatten) zwangen Nagwa Fuad oder Suheir Zaki zur "Rente". Diejenigen, die weitermachten, mussten Bodyguards engagieren, um ihre Sicherheit zu wahren.
Orientalischer Tanz in Europa und Amerika
In den 70ern öffneten die ersten Studios in Deutschland. Die Lehrerinnen waren meistens Frauen, die diesen Tanz in den USA gelernt hatten. Tatsächlich war Bauchtanz in den USA ein echter Erfolg. Die Tänzerinnen entwickelten sogar neue Tanzstile, die in Ägypten nicht existierten, so zum Beispiel der Schleiertanz, oder der Tribal-Style und kombinierten die orientalische Musik mit afrikanischen, europäischen oder lateinamerikanischen Rhythmen. Es entwickelten sich also in Europa und in den USA ganz eigene Stile.
Anfangs betrachteten die orientalische Tänzerinnen die erste Versuche der europäischen Frauen ein bisschen amüsiert. Inzwischen aber mussten sie erkennen, dass sie nicht die einzigen waren, die die Hüften schwingen konnten und akzeptierten die Entwicklung ihrer Kunst.
Literatur:
Dietlinde Karlutli,
Das Bauchtanz-Buch
Wendy Buenaventura,
Die Schlange und die Sphinx