Geschichte: Al-Andalus

Eine Einführung

Wenn wir uns auf eine Zeitreise ins Jahr 700 begeben, so finden wir Europa in der Phase nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches vor. In Byzanz, dem früheren Konstantinopel, herrscht der oströmische Kaiser über ein Gebiet, das Osteuropa, Ägypten und die türkische Halbinsel umfaßt. Im heutigen Spanien, Frankreich und Deutschland ist das römische Imperium in die Königreiche der Westgoten, der Franken, der Normannen und anderer Völker zerfallen.

Weiter im Osten haben die durch Mohammed geeinten Araber seit dessen Tod im Jahr 632 zahlreiche Völker ihrer Religion und ihrer Herrschaft unterworfen, so daß ihr von Bagdad und später von Damaskus regiertes Kalifenreich bereits von Marokko und Nordafrika (Ifriqiya) über Ägypten, die arabische Halbinsel, Persien und Usbekistan bis an die Grenze Chinas reicht.

Im Jahre 711 kommt es zur ersten Invasion der Araber in Südspanien. Die iberische Halbinsel wird dem Reich als Provinz Al-Andalus eingegliedert und von nun an von Gouverneuren verwaltet, die der direkten Kontrolle des Kalifen in Damaskus unterstehen.

Dort wird die Herrscherdynastie der Omayyaden im Jahre 750 von der Familie der Abbasiden vom Thron verdrängt. Der letzte Omayyade flieht ins ferne Andalusien, wo er die herrschende Unruhe ausnutzt und das unabhängige Emirat von Córdoba begründet. Für fast zwei Jahrhunderte steht Andalusien unter der Herrschaft der Omayyaden und erlebt eine Zeit der kulturellen Blüte. Im Jahre 929 schließlich ruft sich der Emir Abd-el-Rahman III. zum Kalifen aus. Das andalusische ?Kalifat von Córdoba? steht nun auf einer Stufe mit dem abbasidischen Kalifat in Bagdad und dem schiitischen Kalifat in Tunis, das sich unter dem Einfluß der Berbervölker ebenfalls vom alten arabischen Reich losgesagt hat.

Aufgrund innerer Spannungen zerbricht das andalusische Reich der Omayyaden um das Jahr 1010. Es entstehen zahlreiche kleine Königreiche in Córdoba, Sevilla, Toledo, Zaragoza und anderen Städten, die sogenannten Taifa-Staaten, in denen trotz aller Konflikte eine hohe Hofkultur erhalten wird.

Zugleich hat im christlichen Norden Spaniens der Wille nach einer Rückeroberung Spaniens unter die christliche Herrschaft zugenommen. Den geschwächten Taifa-Königen stehen mit Ferdinand I. von Leon und Alfonso VI. von Kastilien starke christliche Herrscher entgegen, die sich mit weiteren Verbündeten wie den Franken an die Rückeroberung Spaniens, die sogenannte ?Reconquista?, machen.

Den arabischen Königen Andalusiens bleibt gegen die christlichen Angriffe schließlich nur der Ausweg, im Jahre 1086 ihre Glaubensbrüder aus Nordafrika, zu Hilfe zu rufen. Die dortigen Herrscher, vom berberischen Geschlecht der Almoraviden, behaupten Spanien siegreich für die Muslime, lösen aber die Taifa-Könige ab und errichten ihr eigenes Kalifat. So gelangt Andalusien für die nächsten 250 Jahre unter die Herrschaft der Almoraviden und später der Almohaden und Maroniden, zwei weiteren Berber-Dynastien Nordafrikas.

Gegen Ende dieser Zeit verzeichnet die Reconquista immer größere Erfolge zunächst im Norden, dann in ganz Andalusien. 1340 haben die Christen die gesamte iberische Halbinsel zurückerobert. Nur das Emirat von Granada bleibt als letztes arabisches Reich in Spanien erhalten. Erst 1492 unterwirft das katholische Königspaaar Ferdinand II. und Isabella I. (sie waren auch die Auftraggeber von Kolumbus) das Emirat und beendet damit fast 800 Jahre islamischer Herrschaft in Spanien.

Bereits 1502 wird mit der Verfolgung der verbleibenden Muslime begonnen, die um 1610 mit der systematischen Vertreibung ihren Höhepunkt findet. Die islamischen und jüdischen Andalusier verstreuen sich, vor allem in Richtung Nordafrika. Von der arabischen Kulturepoche bleiben jedoch sichtbare Spuren in der Kultur Europas und Spaniens zurück.